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Sedansfeier in Lütjenburg im Jahre 1902
© Stadt Lütjenburg / Dr. Sigurd Zillmann - Arbeitskreis Stadtarchiv / Petra & Stefan Gramkow - Agentur inpuncto Werbung. Kopieren/Teilen nicht gestattet.
Die Fotos zeigen sich beim Anklicken vergrößert.
Sedansfeier in Lütjenburg im Jahre 1902
(Ersterscheinung ´hein´s magazin´ Lütjenburg / © Petra & Stefan Gramkow - Juni 2012)“
Zur Erinnerung an die französische Kapitulation nach der Schlacht von Sedan am 2. September 1870 wurde der „Sedanstag“ begangen, der sich als nationaler Feiertag im ganzen Deutschen Reich einbürgerte. Die mit dem Sieg errungene deutsche Einheit und Gründung des Deutschen Reiches schuf eine völlig neue Solidarität, die es vorher wegen der deutschen Kleinstaaterei nie gegeben hatte. Hinzu kam, dass Kaiser Wilhelm I. so populär wurde, dass der Patriotismus in einem regelrechten Kaiserkult gipfelte (vgl. „Geschichte der Stadt Lütjenburg“, Bd. I; S. 175 ff).
Träger der patriotischen Traditionspflege in Lütjenburg waren drei Militärvereine. Der älteste von ihnen war der Bund „Die Kampfgenossen von 1848/1850“. Die Teilnehmer dieses Krieges hatten sich schon nach dem Ende der dänischen Herrschaft 1864 in diesem Verein zusammengeschlossen und tagten regelmäßig im „Hotel Stadt Kiel“, dessen Gastwirt Stahl zu ihren Mitgliedern gehörte. Viele Jahre führte Brennereibesitzer Carl Boll den Vorsitz.
Nach dem Deutsch–Französischen Krieg wurde mit dem Bund „Kampfgenossen 1870/71“ ein weiterer Verein gegründet, dessen Fahne das Symbol des neuen Vaterlandes –die Germania– zeigte. Im dritten Kriegerverein „Die Militärische Kameradschaft“ versammelten sich die Reservisten, die ihren aktiven Militärdienst hinter sich hatten. Alle drei Vereine bemühten sich auch um die Unterstützung von Angehörigen verstorbener Mitglieder. Bei allen öffentlichen Veranstaltungen patriotischer Art wirkten die drei Militärvereine mit; Uniformen, Fahnen, Blasmusik und Aufmärsche waren immer beliebter geworden.
Das abgebildete Foto, das ein Lütjenburger Bürger vor der „Entsorgung“ rettete und dem Arbeitskreis Stadtarchiv kürzlich übergab, stellt ein eindrucksvolles Zeitdokument dar. Wie wir dem eingravierten Monogramm entnehmen können, wurde das Bild vom Hofphotographen Rudolph Schultze aufgenommen, und da er –als Besitzer eines kleinen Verlages in der Neuwerkstraße– auf die Rückseite dieses Fotos einen Stempel mit dem Text „Nachdruck verboten. 1902“ aufdrucken ließ, müssen wir davon ausgehen, dass das große Gruppenfoto aus dem Jahre 1902 stammt.
Die Namen der Honoratioren und „Ehrenjungfrauen“ sind zum größten Teil mit Bleistift auf dem Rand des Originalbildes verzeichnet. Deshalb können wir uns ein gutes Bild von den beteiligten Personen dieser Szene machen. Während die Namen der Marine–Jungen nicht verewigt wurden, können wir die Frauen benennen, auch wenn uns hier vor allem die Vornamen fehlen.
Bei den „Ehrenjungfrauen“ handelt es sich um folgende Lütjenburgerinnen: von links: Tiedemann, E… Fahrenkrog, Ida Tamm, … Stanida–Köpke („Germania“), M… Schröder, M… Bernitt und Guste Wegner. (Welche Leserin und Leser können Namen nennen?)
Hinter den „Ehrenjungfrauen“ hatten sich in einer Reihe 14 Repräsentanten der Stadt Lütjenburg aufgestellt, deren Namen –mit einer Ausnahme– erhalten blieben. Die beiden Soldaten bleiben unerwähnt. Bei den Honoratioren handelt es sich um folgende Lütjenburger: von links: N.N., … Stahl (Gastwirt), Carl Cloppien (Malermeister), Ernst Fischer (Sattlermeister), W… Happe (Tischlermeister, Neuwerkstraße) W… Fischer, Otto Maack (Stellmachermeister), Rudolph Schultze (Photograph), Hermann Ronneberg (Bürgermeister), K… Kahl, W… Maack, Dr. med. Heinrich Bornholt (Neverstorfer Str. 10), … Ibelshausen und G… Tamm. (Welche Leserin und Leser können Namen nennen?)
Die „Sedansfeier“ am 02. September sowie die „Geburtstagsfeier Seiner Majestät des Kaisers“ am 31. Januar eines jeden Jahres. wurden von allen drei Traditionsvereinen gemeinsam durchgeführt; zu beiden Anlässen waren alle „Kaisertreuen“ der Stadt und Umgebung „auf den Beinen“. Bei dem Gruppenfoto handelt es sich um den Sedanstag in Lütjenburg im Jahre 1902 (vgl. Hermann Valentin, in „Neue Fleischer Zeitung“, 1995ff, Anhang S. 45.)
Die Tatsache, dass nicht nur die Mitglieder der drei Vereine eingeladen wurden, sondern „Alle Bewohner von Lütjenburg und Umgebung“ war sicherlich auch ein Grund für die hohe Teilnehmerzahl. Selbst heute noch sind öffentliche Veranstaltungen mit mehr als 200 Teilnehmern in Lütjenburg eine Ausnahme.
Was heutigen Betrachtern des Bildes auffällt, ist natürlich die Tatsache, dass diese Veranstaltung –abgesehen von der Ehrenformation in der zweiten Reihe– fast eine reine Männersache war. Hierzu sei angemerkt, dass das Frauenwahlrecht in Deutschland erst nach 1918 eingeführt wurde. Es fällt auch auf, dass alle Männer eine Kopfbedeckung tragen: entweder Zylinder, Hut oder Pickelhaube. Der Kavallerist - hoch zu Ross mit Pickelhaube und gezücktem Degen - ist Heinrich Schaeffer, Schlachtermeister vom Markt Nr. 19 und Veteran des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 in der Uniform der Potsdamer Garde-Kürassiere (vgl. Neue Fleischer Zeitung, a.a.O., Anhang, S. 44).
Wenn man die Männer, Frauen und Kinder betrachtet, dann vermittelt das Bild den Eindruck, dass eine solche Großveranstaltung am Bismarckturm, der gerade erst vier Jahre stand und erst seit zwei Jahren den Namen des Reichskanzlers erhalten hatte, damals noch etwas Besonderes war.
Dr. Sigurd Zillmann
Verantwortlich für den Inhalt:
Arbeitskreis Stadtarchiv Lütjenburg Wer weitere Hinweise geben oder Fotobelege beisteuern kann, melde sich bitte im Stadtarchiv (Dr. Sigurd Zillmann, Tel. 04381/7319)